Am 1.3.1993 begann mit einer Pressekonferenz des SPD-Sozialministers und stellvertretenden
Ministerpräsidenten Günther Jansen im Landeshaus in Kiel die Fortsetzung
dessen, was als Barschel-Pfeiffer Affäre oder Kieler Affäre 1987 zum
größten Politskandal der Republik wurde. Weil eine ehemalige Geliebte
des Barschel-Helfers Reiner Pfeiffer sich der Illustrierten Stern offenbart
hatte, ging Jansen in die Offensive: er gestand, jeweils im November 1988 und
1989 je rund 20.000 Mark aus sozialen Gründen bar an Reiner Pfeiffer gezahlt
zu haben. Das Geld dafür habe er privat zu Hause in einer Schublade gesammelt.
Das führte zum Namen "Schubladenaffäre". In ihrer Folge
tritt Jansen noch im März zurück. Am 3. 5.1993 folgte ihm Ministerpräsident
Björn Engholm, nachdem er einräumen mußte, früher als er
im ersten Untersuchungsausschuß 1987/88 eingeräumt hatte, von den
Machenschaften aus der Staatskanzlei Barschels gegen ihn gewußt zu haben.
Engholm legte auch den SPD-Bundesvorsitz nieder, den er Juni 1991 übernommen
hatte. Zweieinhalb Jahre, 241 Sitzungen lang, versuchte der zweite Kieler Untersuchungsausschuß
die Rolle der SPD in der Kieler Affäre zu klären. Zwar konnte er feststellen,
daß Engholm entgegen seinen Angaben von 1987 schon in der Nacht des Treffen
von Jansen mit Pfeiffer am 7.9.1987 im Lübecker Hotel Lysia in Umrissen
von den gegen ihn laufenden Machenschaften erfahren haben muß. Auch erfuhr
die Rolle der SPD insgesamt eine neue Bewertung. Im Kern wurde festgestellt,
daß von der SPD schon vor der Landtagswahl am 13.9.1987 aktiv versucht
worden war, sich gegen die Machenschaften aus der Staatskanzlei zu wehren. "Scharnierstelle"
war der damalige SPD-Pressesprecher und spätere Geldbote Jansens, Klaus
Nilius. Nicht klären konnte der Ausschuß, warum oder wofür Reiner
Pfeiffer zweimal bei konspirativen Übergaben Geld aus der "Schublade"
bekam. Günther Jansen blieb bis zum Ende bei seiner Version, er habe Pfeiffer
das Geld aus sozialen Gründen zukommen lassen. Nachdem der Barschel Ausschuß
1987/88 den Landtagsabgeordneten das Gefühl vermittelt hatte, die Kieler
Affäre sei weitgehend aufgeklärt, blieben am Ende des Schubladenausschusses
mehr Fragen als Antworten. Angesichts der aktiven Rolle, die Reiner Pfeiffer
auch im Zusammenspiel mit der SPD gespielt hat, relativierte sich das Bild der
Schuld Barschels. Er blieb verantwortlich, schuldig auch, weil er Mitarbeiter
zu falschen eidesstattlichen Aussagen gezwungen hatte. Als Hauptschuldiger der
Kieler-Affäre konnte Barschel nach den Ermittlungen des zweiten Ausschusses
nicht mehr gelten. Der Ausschußvorsitzende Heinz-Werner Arens (SPD) kam
zu dem Schluß, die Urheberschaft Barschels an den 1987er Vorgängen
sei nicht beweisbar. Unstrittig bleibt dagegen, daß die Affäre 1987
von der CDU geführten Staatskanzlei ausging, die SPD jedoch - wie der Schubladenausschuß
zeigte - zumindest in der Endphase des Wahlkampfes 1987 versuchte, ein wehrhaftes
Opfer zu sein.
Quelle: Michael Legband